
Die Kunst des 12. Jahrhunderts im heutigen Thailand war eine faszinierende Mischung aus hinduistischen Einflüssen, lokalen Traditionen und einem bemerkenswerten technischen Können. In dieser Blütezeit schufen Künstler beeindruckende Werke, die bis heute unsere Fantasie anregen. Einer dieser Meister war Ruang, ein Bildhauer, dessen Name in den Annalen der Geschichte vielleicht nur leise erwähnt wird, aber dessen Werk eine
stumme Eloquenz besitzt, die Jahrhunderte überdauert hat. Sein Meisterwerk ist das “Ramayana”-Relief, ein atemberaubendes Zeugnis seiner Kunstfertigkeit und seines tiefen Verständnisses für die epische Geschichte des Ramayana.
Das Relief befindet sich in den Ruinen eines längst vergessenen Tempels im heutigen Sukhothai. Es ist aus lateritischer Sandstein gemeißelt, einem Material, das sowohl weich genug ist, um detaillierte Schnitzereien zu ermöglichen, als auch robust genug ist,
um den Zahn der Zeit zu trotzen. Die Größe des Reliefs ist beeindruckend:
Dimension | Maße in cm |
---|---|
Höhe | 150 |
Breite | 300 |
Tiefe | 20 |
Die Szene, die Ruang darstellt, ist eine Schlüsselszene aus dem Ramayana: die Begegnung von Rama und Sita im Wald. Rama, der rechtmäßige König von Ayodhya, ist in Verbannung gegangen, zusammen mit seiner Gemahlin Sita und seinem Bruder Lakshmana. Im dichten Dschungel Aschenias begegnen sie einer
Hirschdemonin, Maricha, verkleidet als Hirsch, die Rama durch ihren Gesang in die Irre führt. Sita wird entführt, und Rama muss einen epischen Kampf gegen den bösen Dämonenkönig Ravana führen, um seine Geliebte zu befreien.
Ruangs Relief ist eine Meisterleistung der bildhauerischen Darstellung. Die Figuren sind vollendet modelliert, ihre Muskeln deutlich sichtbar, ihre Gesichter voller Emotionen.
Rama steht selbstbewusst da, sein Bogen und seine Pfeile bereit. Seine Haltung strahlt Stärke und Entschlossenheit aus. Sita wirkt dagegen
anmutig und zart, ihr Gesicht voller Sorgen um Ramas Abwesenheit. Die Szene ist mit einer Fülle von Details gefüllt: Bäume, Blumen, Tiere - allesamt lebhaft und realistisch dargestellt.
Das Relief ist nicht nur ein Meisterwerk der Bildhauerei, sondern auch eine komplexe Allegorie. Rama verkörpert die Tugend, Sita die Reinheit, Ravana
das Böse. Die Geschichte des Ramayana wird oft als Allegorie für den Kampf zwischen Gut und Böse interpretiert, aber sie hat auch tiefere spirituelle Bedeutungen.
Rama repräsentiert den Atman, die
unsterbliche Seele, während Sita die Prakriti, die materielle Welt, symbolisiert. Der Kampf gegen Ravana kann als
die Reise des Menschen zu spiritueller Erleuchtung gesehen werden.
Ruangs “Ramayana”-Relief ist ein faszinierendes Beispiel für die Kunst des 12. Jahrhunderts in Thailand. Es zeigt nicht nur die
technische Meisterschaft der Künstler dieser Zeit, sondern auch ihre tiefe Verbindung zur hinduistischen Mythologie und Philosophie. Es ist ein Werk, das uns noch heute inspiriert und zum Nachdenken anregt.